Johnny Haeusler hat zusammen mit einigen anderen Namhaften Kollegen auf spreeblick.com ein Internet-Manifest veröffentlicht, dass ich so zu 100% unterschreiben möchte. Es geht um 17 Behauptungen darüber wie Journalismus heute Funktioniert. Ein Artikel der hier schon länger in der Bearbeitung ist wird das auch ansprechen, falls er jemals fertig wird… Hier das unveränderte Manifest (unter CC-BY)
1. Das Internet ist anders.
Es schafft andere Öffentlichkeiten, andere Austauschverhältnisse und andere Kulturtechniken. Die Medien müssen ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen, statt sie zu ignorieren oder zu bekämpfen. Sie haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln – das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.2. Das Internet ist ein Medienimperium in der Jackentasche.
Das Web ordnet das bestehende Mediensystem neu: Es überwindet dessen bisherige Begrenzungen und Oligopole. Veröffentlichung und Verbreitung medialer Inhalte sind nicht mehr mit hohen Investitionen verbunden. Das Selbstverständnis des Journalismus wird seiner Schlüssellochfunktion beraubt – zum Glück. Es bleibt nur die journalistische Qualität, die Journalismus von bloßer Veröffentlichung unterscheidet.3. Das Internet ist die Gesellschaft ist das Internet.
Für die Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt gehören Angebote wie Social Networks, Wikipedia oder Youtube zum Alltag. Sie sind so selbstverständlich wie Telefon oder Fernsehen. Wenn Medienhäuser weiter existieren wollen, müssen sie die Lebenswelt der Nutzer verstehen und sich ihrer Kommunikationsformen annehmen. Dazu gehören die sozialen Grundfunktionen der Kommunikation: Zuhören und Reagieren, auch bekannt als Dialog.4. Die Freiheit des Internet ist unantastbar.
Die offene Architektur des Internet bildet das informationstechnische Grundgesetz einer digital kommunizierenden Gesellschaft und damit des Journalismus. Sie darf nicht zum Schutz der wirtschaftlichen oder politischen Einzelinteressen verändert werden, die sich oft hinter vermeintlichen Allgemeininteressen verbergen. Internet-Zugangssperren gleich welcher Form gefährden den freien Austausch von Informationen und beschädigen das grundlegende Recht auf selbstbestimmte Informiertheit.5. Das Internet ist der Sieg der Information.
Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen. Der einzelne Mensch kann sich so gut informieren wie nie zuvor.6. Das Internet verändert verbessert den Journalismus.
Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.7. Das Netz verlangt Vernetzung.
Links sind Verbindungen. Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus. Das gilt auch für die Online-Auftritte klassischer Medienhäuser.8. Links lohnen, Zitate zieren.
Suchmaschinen und Aggregatoren fördern den Qualitätsjournalismus: Sie erhöhen langfristig die Auffindbarkeit von herausragenden Inhalten und sind so integraler Teil der neuen, vernetzten Öffentlichkeit. Referenzen durch Verlinkungen und Zitate – auch und gerade ohne Absprache oder gar Entlohnung des Urhebers – ermöglichen überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses und sind unbedingt schützenswert.9. Das Internet ist der neue Ort für den politschen Diskurs.
Demokratie lebt von Beteiligung und Informationsfreiheit. Die Überführung der politischen Diskussion von den traditionellen Medien ins Internet und die Erweiterung dieser Diskussion um die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit ist eine neue Aufgabe des Journalismus.10. Die neue Pressefreiheit heißt Meinungsfreiheit.
Artikel 5 des Grundgesetzes konstituiert kein Schutzrecht für Berufsstände oder technisch tradierte Geschäftsmodelle. Das Internet hebt die technologischen Grenzen zwischen Amateur und Profi auf. Deshalb muss das Privileg der Pressefreiheit für jeden gelten, der zur Erfüllung der journalistischen Aufgaben beitragen kann. Qualitativ zu unterscheiden ist nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus.11. Mehr ist mehr – es gibt kein Zuviel an Information.
Es waren einst Institutionen wie die Kirche, die der Macht den Vorrang vor individueller Informiertheit gaben und bei der Erfindung des Buchdrucks vor einer Flut unüberprüfter Information warnten. Auf der anderen Seite standen Pamphletisten, Enzyklopädisten und Journalisten, die bewiesen, dass mehr Informationen zu mehr Freiheit führen – sowohl für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.12. Tradition ist kein Geschäftsmodell.
Mit journalistischen Inhalten lässt sich im Internet Geld verdienen. Dafür gibt es bereits heute viele Beispiele. Das wettbewerbsintensive Internet erfordert aber die Anpassung der Geschäftsmodelle an die Strukturen des Netzes. Niemand sollte versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandsschutzes zu entziehen. Journalismus braucht einen offenen Wettstreit um die besten Lösungen der Refinanzierung im Netz und den Mut, in ihre vielfältige Umsetzung zu investieren13. Im Internet wird das Urheberrecht zur Bürgerpflicht.
Das Urheberrecht ist ein zentraler Eckpfeiler der Informationsordnung im Internet. Das Recht der Urheber, über Art und Umfang der Verbreitung ihrer Inhalte zu entscheiden, gilt auch im Netz. Dabei darf das Urheberrecht aber nicht als Hebel missbraucht werden, überholte Distributionsmechanismen abzusichern und sich neuen Vertriebs- und Lizenzmodellen zu verschließen. Eigentum verpflichtet.14. Das Internet kennt viele Währungen.
Werbefinanzierte journalistische Online-Angebote tauschen Inhalte gegen Aufmerksamkeit für Werbebotschaften. Die Zeit eines Lesers, Zuschauers oder Zuhörers hat einen Wert. Dieser Zusammenhang gehört seit jeher zu den grundlegenden Finanzierungsprinzipien für Journalismus. Andere journalistisch vertretbare Formen der Refinanzierung wollen entdeckt und erprobt werden.15. Was im Netz ist, bleibt im Netz.
Das Internet hebt den Journalismus auf eine qualitativ neue Ebene. Online müssen Texte, Töne und Bilder nicht mehr flüchtig sein. Sie bleiben abrufbar und werden so zu einem Archiv der Zeitgeschichte. Journalismus muss die Entwicklungen der Information, ihrer Interpretation und den Irrtum mitberücksichtigen, also Fehler zugeben und transparent korrigieren.16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.
Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.17. Alle für alle.
Das Web stellt eine den Massenmedien des 20. Jahrhunderts überlegene Infrastruktur für den gesellschaftlichen Austausch dar: Die „Generation Wikipedia“ weiß im Zweifel die Glaubwürdigkeit einer Quelle abzuschätzen, Nachrichten bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen und zu recherchieren, zu überprüfen und zu gewichten – für sich oder in der Gruppe. Journalisten mit Standesdünkel und ohne den Willen, diese Fähigkeiten zu respektieren, werden von diesen Nutzern nicht ernst genommen. Zu Recht. Das Internet macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren, die man einst Leser, Zuhörer oder Zuschauer nannte – und ihr Wissen zu nutzen. Nicht der besserwissende, sondern der kommunizierende und hinterfragende Journalist ist gefragt.
Und hier geht’s zum ursprünglichen Veröffentlichungsort bei spreeblick.com.
„4. Die Freiheit des Internet ist unantastbar.“
Für mich persönlich eine der wichtigsten Regeln. Wenn man bedenkt wie Zeitungen und das Fernsehen manipuliert wird, bin ich froh wenigstens im Internet noch Alternativen zu finden um mich selbst weiterbilden zu können!
Nun, ich sehe das, wie könnte es anders sein, eben ein wenig anders. Ich halte es sogar für äußerst bedenklich, wenn gerade Johnny Haeusler von Journalismus spricht. Denn was Spreeblick ist und macht, hat nichts mit freier und möglichst objektiver Berichterstattung zu tun. Als aller erstes wird nämlich das veröffentlicht, was Johnny und sein Team sozusagen als für würdig erachten und zweitens wird natürlich durchweg die Meinung Johnnys vertreten. Marschiert also Johnny nach links, folgt ihm zwar nicht zwangsläufig seine Leserschaft, aber zumindest seine Worte.
Von daher erscheint mir Spreeblick einseitig wie das Magazin einer Krankenkasse oder das monatliche Parteiblättchen. – Klar, ich mag Spreeblick, denn es holt vieles an die Oberfläche, was man nicht suchen möchte. Dies kategorisiere ich jedoch eher als Unterhaltung und keinesfalls als ein journalistisches und rundherum beleuchtetes Produkt.
Gut, nun könnte man sagen, tun sie auch, dass jeder, welcher etwas zu sagen oder zu schreiben hat journalistisch aktiv ist. Nein, das gefällt mir nicht, das ist es nicht. Nebenbei, dass das Internet nicht Maß aller Dinge ist, durfte schon Deine Piratenpartei erfahren, von derem zeitweiligem Höhenflug von 10% nach der Auszählung nicht wirklich viel hängenblieb. Blogger wünschen sich viel, als aller erstes natürlich Ruhm und Reichtum, vergessen dabei aber weiterhin, dass diese Wünsche keineswegs neu sind und bereits lange vor Web 2.0 geträumt wurden.
Eine Zeitung, solche Blätter wie BILD und BZ ‚mal außen vor gelassen, stehen in aller Regel u.a. für Seriosität, Seriosität, wie ich sie jedem mir bekannten Blogger abspreche.
Was Blogger dagegen besonders gut können, ist sich aufzuspielen und wichtig zunehmen. Gerade das sieht man auf Spreeblick fast alltäglich. Aktuell wäre es das Thema „Fisting-Attacken“, ansich der altbekannte Sack Reis in China, welches in der Folge selbst von Medien der schreibenden Zunft wiedergekäut sowie dramatisiert wurde. Warum, für was – es bleibt schlicht albern.
Fazit, Zitat eines auf Spreeblick gefundenen Kommentars, welches inhaltlich den Nagel auf den Kopf trifft:
17. Alle für alle,
klingt wie: „Liberté, égalité, fraternité“, mit Stromanschluss.
„Generation Wikipedia“ weiß im Zweifel die Glaubwürdigkeit einer Quelle abzuschätzen“
Ja das kann gut sein, ich sehe da dass Problem: “ Zweifel aus der Welt schaffen“, nach zuviel zweifeln, auf „Generation Wikipedia“ zukommen.
Wobei in manchen Medien die Jugend schon jetzt „Zweifelsfrei“ dargestellt wird, es gibt wichtigeres.
Das ist meiner Meinung nach der Knackpunkt in Punkt 17, dass Internet ist keine Erziehungseinrichtung, zu glauben, dass sich mit der Benutzung des Internets eine Menschheit objektiver Minijournalisten entwickelt, ist auf sympathische Art utopisch.
Das Manifest ist was es ist, eine Aufforderung zu Komunikation über die Zukunft der Presse und des Internets bzw. Aufforderung zu Komunikation über Komunikation.
@Andre
Die Freiheit des Internets kann genauso unantastbar bleiben, wie die Freiheit des Einzelnen. Ebenso wie die persönliche Freiheit durch viele sinnvolle Regelungen, Agreements, Gesetze eingeschränkt wird, muss das Internet auch eingeschränkt werden.
Strafbewehrte Inhalte sind nicht tolerabel. Im Internet und ausserhalb. Wenn ausserhalb gegen strafbewehrte Inhalte vorgegangen wird, dann darf es nicht sein, dass das Internet „unantastbar“ ist.
Um es vorwegzunehmen: ich rede nicht von Zensur, ich meine damit die Entfernung mit Strafbewehrung von entsprechenden Inhalten.
Wohin das fürht hat man ja bei den Piraten im Bundestagswahlkampf gesehen. Schrecklich…
>>> 15. Was im Netz ist, bleibt im Netz.
Ob dieser Punkt wirklich jedem gefällt, mag ich zu bezweifeln…