Derzeit scheint es so, als würde sich die Menschheit in zwei Lager spalten: Diejenigen, die den Umgang mit neuen Medien (hier primär Internet) gewohnt sind und es regelmäßig oder unregelmäßig (die einen mehr, die anderen weniger) nutzen und diejenigen, die das Internet von anderen „bedienen lassen“ oder lieber gar nichts damit zu tun haben wollen. Zur zweitgenannten Gruppe scheinen auch die Richter am Hamburger Landgericht zu gehören. Anders ist eine aktuelle Entscheidung wohl nicht zu erklären.
Bereits seit langer Zeit kämpft der Betreiber des Supernature-Forums, Martin Geuß, um sein Recht als Forenbetreiber, nicht bedingungslos für die von Benutzern eingestellten Inhalte haftbar zu sein. Auslöser für diese Anstrengungen war eine Abmahnung, die mittlerweile über ein Jahr zurückliegt. Ausführliche Details und weitere Hintergründe gibt’s bei Heise und unter den entsprechenden Links im dortigen Artikel.
Sein Anwalt, Dr. Martin Bahr, hat nun das traurige Urteil der Klage auf seiner Seite „Internet-Foren & Recht“ veröffentlicht. Der entscheidende Satz hieraus:
Ein Forums-Betreiber haftet für „eigene Informationen“ iSd. § 6 Abs. 1 MDStV. „Eigene Informationen“ im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur „eigene Behauptungen“ im Sinne der für Widerruf oder Richtigstellung entwickelten Grundsätze, sondern vielmehr auch Informationen, für deren Verbreitung der Betreiber einer Internetseite seinen eigenen Internetauftritt zur Verfügung stellt, mag auch nicht er selbst, sondern eine dritte Person die konkrete Information eingestellt haben.
Sollte dieses Urteil von höheren Instanzen bestätigt werden, sieht es schwarz aus für Forenbetreiber in Deutschland und wir werden dann vermutlich die zweite große Betreiberabwanderung nach der der Betreiber von erotischen Angeboten erleben. Die sitzen mittlerweile alle in Spanien und anderen schönen Ländern und zahlen Ihre Steuern dort. Der Auslöser damals war eine bis heute nicht vorhandene klare Regelung zum Thema Jugendschutz.
Mein Vorschlag wäre es zur besseren Urteilsfähigkeit in Internetfällen den Gerichten aufzuerlegen ein Fachteam zu bilden, dass die Richter in solchen Fällen berät oder ggf. fachlicher Kompetenz auf Seiten der Richter einzufordern. Bei solchen Urteilen kann man sich nur an den Kopf greifen.
Müssten dann nicht auch Gerichte für Zeugenaussagen haften, da dies Informationen sind, für deren Verbreitung der Betreiber (das Gericht) seinen eigenen Auftritt (Gerichtssaal) zur Verfügung stellt, mag auch nicht er selbst, sondern eine dritte Person (Zeuge, evtl. auch Staatsanwalt, Verteidiger, Beisitzer, …) die konkrete Information eingestellt haben (Aussage per Voice)?
*kopfschüttel*
Ach, schon wieder Hamburger Landgericht…
Die Jugendschutzgeschichte ist eigentlich geklärt, darum sind ja die meisten Anbieter von Adultangeboten abgewandert. Der Gesetzgeber verlangt in Deutschland die „persönliche Identifikation“ des Kunden bei solchen Angeboten. Da dadurch aber zusätzliche Kosten entstehen (einzig anerkannte Identifikation ist das Post-Ident-Verfahren, was aber kostenpflichtig und nicht billig ist) und der Kunde besonders in diesem Bereich Wert auf Anonymität legt, blieb den Anbietern nichts anderes übrig, als abzuwandern. Ich weiß das aus erster Hand, da ich selbst als Projektentwickler und Designer in der Branche tätig war.
Dass der Steuerverlust für den Staat sich bei ca. 7 Milliarden Euro bewegt, halte ich in diesem Zusammenhang auch noch durchaus für nennenswert.
Was wir in erster Linie mal brauchen ist eine Untersuchung, warum gerade in Hamburg immer wieder solche Urteile gefällt werden und in den meisten dieser Fälle der Richter Andreas Buske heißt. Ich habe so das dumme Gefühl, dass dieser Richter sein Amt nicht unvoreingenommen ausübt, wie es das Gesetz eigentlich von einem Richter erwartet. Da erwarte ich zumindest einen fachlich kompetenten Richter. Einen Familienrichter lässt man schließlich auch nicht Urteile im Straf- oder Vertragsrecht sprechen.
@Farlion: Du hast natürlich recht – es ist geklärt, aber es gibt (wie du schreibst) keine praktikable Lösung – meinerseits ungünstig formuliert.
Ìm Übrigen schließe ich mich an. Wer verfasst ein Schreiben an Frau Zypries?
Eins der grundlegenden Probleme sowohl auf Seiten des Gesetzgebers als auch auf Seiten der Richter ist, dass sie immer noch nicht verstanden haben, was das Wort „Inter“ in Internet bedeutet. Ein anderes Problem ist, dass im Bereich der Online-Medien immer wieder Gesetze aus dem Printbereich herangezogen werden. Das ist allerdings eine mehr als zweifelhafte Methode. Ebenso wie Print- und Rundfunkmedien separaten, medienspezifischen Gesetzen unterliegen, muss es auch für den Online-Bereich eigene Gesetze geben. Aber auch das begreift der Gesetzgeber nicht, was ich teilweise einfach darauf zurückführe, dass unsere politischen Strukturen überaltert sind und der Gesetzgeber die Materie gar nicht kennt, über die er urteilen soll.
Ändern wird sich das wahrscheinlich erst, wenn die Mehrzahl der Politiker mit diesen Medien aufgewachsen ist. Im günstigsten Fall also in 15-20 Jahren.